Nachlese: Welche Ethik braucht nachhaltige Entwicklung?

Der Humanökologe Robert Brunnhuber ging in seinem am 16.2.2016 gehaltenen Vortrag der Frage nach, welche „Wurzeln“ Nachhaltigkeitsprobleme haben, und ob zur Umsetzung Nachhaltiger Entwicklung Ethik hilfreich sein kann. Folgend einige Überlegungen aus seinem Vortrag...

Am Bild (v.l.n.r.): DP DI Franz Fehr (Obm.-Stv. IUFE), Mag.a Maria Neuberger-Schmidt (Initiative Weltethos), Mag. Johannes Steiner (Geschäftsführer IUFE), Robert Brunnhuber (Vortragender), Mag. Edith Riether (Präsidentin Initiative Weltethos), Dr. Herbert Ritsch (Finanzreferent Initiative Weltethos)

Der Humanökologe Robert Brunnhuber ging in seinem Vortrag der Frage nach, welche „Wurzeln“ Nachhaltigkeits­probleme haben, und ob zur Umsetzung Nachhaltiger Entwicklung Ethik hilfreich sein kann. Zunächst wurde dafür die real wirksame Bedeutung ethischer Aspekte mit Argumenten und Beispielen aus Geschichte und Gegenwart erklärt, und insbesondere der Bezug zum Projekt Weltethos hergestellt. In einer Erweiterung der Argumente von Hans Küng wurde entlang aktueller Forschungsthemen aufgezeigt, auf welche Weise das Weltethos konkret zur Realisierung von Nachhaltiger Entwicklung beitragen könnte.

 

Welche Chancen hat Nachhaltige Entwicklung noch angesichts der dramatischen Herausforderung? Wie ist eine Motivation dazu noch möglich?

  „Hebel“ und „Ansatzpunkte“ gäbe es nach systemwissenschaftlichen Erkenntnissen tatsächlich, doch dazu bedürfte es einer anderen Denkweise, die nach dem Sicherheitsexperten James Reason so bezeichnete „latente Ursachen“ beachtet. Hans Küng, der Initiator des Projekts Weltethos, ortet diese mit Bezugnahme auf den Ökonomen Stiglitz in der Kultur selbst und hat damit Papst Franziskus' Standpunkt in seiner neuen Enzyklika vorweggenommen. Die äußeren Nachhaltigkeitsprobleme spiegeln damit tiefere kulturelle Probleme wider, was auch eine Ansicht des frühen Marx war, und deren Lösung setzt also dabei an, eine ethisch andersgeartete Kultur zu initiieren, durch welche neue Motivationen entstehen. In einer Übertragung des Ineinandergreifens von Maßnahmen für effektiven Bodenschutz nach Gerlind Weber ließe sich ein Vorschlag zur Umsetzung formulieren, der vom Referenten abschließend zur Diskussion gestellt wurde: Das Fundament dafür ist ethische Bewusstseinsbildung, um ein Verständnis für die Thematik zu schaffen, was vor allem Medien, Bildungseinrichtungen und politische Stellen leisten müssten. Die richtigen Anreize zu erkennen und ihr richtiger Einsatz werden durch eine Stärkung der inter- und transdisziplinären Lebensqualitätsforschung erreicht, was also Forschungseinrichtungen betrifft, und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse müssten dann in die Politik- und Unternehmensberatung übernommen werden. Zuletzt bedarf es jedoch auch bestimmter Begrenzungen, die durch Risikomanagement, -forschung und präventive Technikfolgenabschätzung erkannt werden, was also die Aufgabe diverser Institutionen wäre. Dieser letzte Punkt ist maßgeblich, weil nach den Erkenntnissen der „Planetary Boundaries and Human Opportunities“ bereits vier von 9 elementaren Grenzen der Stabilität des Planeten überschritten sind, und nur noch bis etwa zum Jahr 2020 Zeit wäre, um die internen Prozesse so zu gestalten, dass die Folgen nicht unkontrollierbar werden. Auch wenn das kein Grund zu Optimismus sein sollte, ist es vielleicht auch kein Grund zu Pessimismus, denn in einer Analogie zur Entwicklung von Sicherheitskultur in Unternehmen zeigt sich, dass Unfälle effektiv vermieden werden, wenn eine entsprechende Kultur besteht, die den Sicherheitsanliegen Beachtung schenkt, sowohl durch Vorgesetzte, als auch durch die Anerkennung der Mitarbeiter untereinander. Damit unterscheidet sich dieser Ansatz, welcher „latente Ursachen“ in der Kultur vermutet, von anderen in den Umweltwissenschaften typischen: Zunächst von der Idee, dass andere Ideologien oder politische Systeme die Lösung bringen, was vor allem Marxisten angesichts der Klimathematik fordern. Aber gerade kommunistische Staaten haben gezeigt, was passiert, wenn politische Maßnahmen von außen getroffen werden, aber sich nicht das Ethos der Menschen ändert. Auch ein materialistischer Ansatz ist zu unterscheiden, wonach es zwei Reaktionen gibt: sich der „Natur“ zu unterwerfen, oder noch schlimmer, diese drastisch „managen“ zu wollen, wie es Ökomodernisten fordern. Genau diese Denkweise führte zu den aktuellen Problemen im vom Menschen dominierten „Anthropozän“, und Albert Einstein wird die Aussage zugeschrieben, dass eine solche die Probleme verursachende Denkweise nicht die Lösung bringen wird, was durch den Geologen Montgomery in seinem Buch „Dreck“ bestätigt wird. Er schreibt, dass technikintensive Gesellschaften, die das Land an ihre Bedürfnisse anpassen wollten, viel schneller kollabiert sind, als jene, die sich dem Land angepasst haben. Der Grund dafür liegt nämlich in einer „linearen“ Denkweise der vereinfachten Mittel-Zweck-Optimierung, durch welche vielfach unbeabsichtigte Folgewirkungen entstehen (siehe z.B. „Risikospirale“ nach Sieferle). Die Lösung besteht daher in einer anderen Denkweise, motiviert durch ein anderes Ethos! Der Vortrag hat die Verschränkung von Ethos und Denkweise besprochen und auch an Fallbeispielen gezeigt, dass gerade das Weltethos für empirische und praktische Belange eine sehr gute Hilfestellung bietet.

 

Der Vortragende Robert Brunnhuber (BA, BA, MSc) studierte nach Absolvierung seiner HAK-Matura Philosophie und Geschichte, sowie zuletzt Sozial- und Humanökologie. Nach seinen früheren ehrenamtlichen Tätigkeiten v.a. im Umweltbereich ist er Referent für den Ökologischen Fußabdruck und nun Mitglied der Initiative Weltethos Österreich. Aktuell beschäftigt er sich mit Risiko- und Sicherheitswissenschaften (v.a. Resilienz).

 

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„Braucht Nachhaltige Entwicklung eine Ethik?“ war eine gemeinsame Veranstaltung vom Institut für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE) und der Initiative Weltethos am 16. Feb. 2016 im Springerschlössl, Tivoligasse 73, 1120 Wien.